Aus dem Törnplan:

Ankunft am Flughafen in Catania zur Mittagszeit. Sizilien empfängt uns, selbst im Mai, mit drückender Schwüle. Unser Ziel ist die Marina Portorosa an der Nordostküste Siziliens. Mit dem Überlandbus fahren wir nach Milazzo, der restliche Weg wird mit dem Taxi zurückgelegt.
Die Liparischen Inseln sind für Charter-Segler kaum erschlossen, es gibt keine Yachthäfen. Der Tourismus ist dafür bis auf die Monate Juli und August noch überschaubar. Vor- oder Nachsaison bieten sich zur Törnplanung an. Die sieben Schwestern, wie die Italiener die Inseln Vulcano, Lipari, Salina, Alicudi, Filicudi, Panarea und Stromboli nennen, liegen vor der Nordostküste Siziliens bzw. der Stiefelspitze Italiens. Sie werden mal Äolische Inseln, mal Liparische Inseln genannt. Beide Namen sind im Sprachgebrauch. In italienischen Seekarten findet sich: Isole Eolie o Lipari.

Wir übernehmen gegen Abend eine geräumige Jeanneau Sun Odysee 44. Besonderheit: Rollgroß und Autopilot. Die Crew besteht aus acht männlichen Wesen, fast alles Familienväter, die mal Abschalten wollen vom Berufsalltag und Familienstreß. Ein Einwochen-Törn war verabredet, eine Woche war der kleinste gemeinsame Nenner. Der eine konnte die Praxis nicht länger schließen, der andere hatte wichtige Termine, die Ehefrauen drängten ohnehin auf Verkürzung.

Bei der Überfahrt macht Aiolos, der griechische Gott des Windes, seinem Namen keine Ehre. Die Liparen sind als Starkwindgebiet bekannt (Äolische Inseln!), aber die See ist spiegelglatt. Mühelos macht die Jeanneau unter Motor 6-7 Knoten Fahrt. Der Autopilot bewährt sich sofort. Der Kurs wird eingestellt, die erste Flasche sizilianischen Weines entkorkt und mit allen Verästelungen des Geschmacksnerven getestet. So läßt sich Flautensegeln aushalten.

Lipari empfängt uns in sonntagnachmittäglicher Beschaulichkeit. Mitte Mai befinden sich im gleichnamigen Städtchen nur wenig Touristen. Die in der Marina Lunga vor Buganker liegenden Segler kann man an einer Hand abzählen. Ein kleiner Bummel durch die engen Gassen, ein friedliches Bild. Die Crew entschließt, zur Freude eines Ladenbesitzers, sich komplett mit Strohhüten einzudecken. Der Skipper bekommt eine etwas triviale Kapitänsmütze verpaßt, die aber ihren Zweck auf dieser Reise voll erfüllt. Das "Hey Capitano" liegt mir noch heute im Ohr. In der Marina Corta, dem Fischerhafen, quirlt das Leben rund um die kleinen Straßencafes. Beim Aperitivo treffen wir Liparis berühmtesten Taxifahrer, Silvano. Kaum ein Artikel oder Buch über Lipari in dem er nicht beschrieben ist. Für den nächsten Vormittag wird eine Taxi-Inselrundfahrt verabredet. Der Abend wird bei "Risotto nero con calmaretti", einem schwarzen Tintenfischrisotto, und anderen Spezialitäten beendet. Nebenbei: Auf allen Inseln gibt es gute bis sehr gute Restaurants zu vernünftigen Preisen.

Pünktlich zur verabredeten Zeit werden wir am nächsten Morgen zum Landgang abgeholt. Die Bimssteinhänge bei Porticello sind das erste Ziel. Der poröse Stein wird hier industriell abgebaut. Bims ist noch immer ein begehrter Rohstoff für Wasch- und Scheuermittel. Dazwischen findet sich messerscharfer Obsidian. In der Jungsteinzeit, lange bevor man die Metallverarbeitung kannte, war dieses barte, schwarze Glasgestein ein begehrter Exportartikel und es wurde ein schwungvoller Handel betrieben. Archäologen haben diesen liparischen Obsidian in ganz Europa gefunden. Beide Gesteinsarten sind natürlich tolle Souvenirs. Wer sich für vorchristliche Geschichte interessiert, dem sei das Museo Archeologico Eoliano empfohlen.
Silvano ist in seinem Element. Bizarre Felsformationen verwandeln sich bei ihm wahlweise zu ägyptischen Pyramiden, einem liparischen Mont Blanc oder dem Zuckerhut von Rio. Einen besseren Inselbeschreiber wird man kaum finden.Die Straße schlängelt sich indessen durch ein Blütenmeer. Ginster, Geranienbüsche, Pelargonien, Margariten, Lupinen - im Mai steht alles in Blüte. Dazwischen Feigenkakteen und ganze Kissen graugrüner Wermutpflanzen. Kapernsträucher werden bestaunt, der Rosmarin wächst mannshoch. Ein letzter Blick vom schönsten Punkt der Insel, dem Belvedere Quattrocchi, ermahnt zum Weitersegeln.

Ein strammer Nordwind, Ponente genannt, bringt uns am Nachmittag rasch weiter. Der Stromboli, das ewige Leuchtfeuer des Tyrrhenischen Meeres, wie Alexander von Humboldt schrieb, ist der einzige dauernd tätige Vulkan der Europas. Die kegelförmige Insel erhebt sich knapp tausend Meter über der Wasseroberfläche. Die gleiche Distanz findet sich auch unter Wasser. Der Meeresboden liegt auf ca. tausend Meter Tiefe. Der Stromboli ist damit eigentlich ein Berg mit 2000 Metern Höhe. Die Ufer sind steil abfallend. Es ist schwierig, Ankergrund zu finden. Der übliche Aufstieg erfolgt im Norden der Insel, nahe der Ablaufrinne, der Sciara del fuoco. Auch in größerer Entfernung sieht man im Abstand von wenigen Minuten einen großen Rauchpilz über dem Stromboli entstehen. Als wir dichter kommen, hören wir das eruptive Grollen. Das Handbuch warnt vor der Nordküste, da man ungeschützt gegen nördliche Winde dicht am Strand liegt. Glücklicherweise läßt der Wind nach und wir ankern vor San Bartolomeo, gegenüber von Stromboliccio, dem Felsenrest eines kleineren Kraterkegels. Das Boot vollständig zu verlassen, kann nicht in Frage kommen. Wir teilen die Crew in zwei Gruppen. Die erste Gruppe, in der sich die trittsichereren, etwas bergerfahrenen Crew-Mitglieder befinden, macht sich sofort an den Aufstieg. Aufstiegszeit ca. 3 Stunden, Wanderstiefel und gute Taschenlampe sind für jeden obligatorisch. Stromboli bei Nacht ein oftmals beschriebenes Erlebnis. Naturgewalt pur, unheimlich und faszinierend. Der Abstieg in der Nacht ist nicht ungefährlich. Einen Bergführer benötigt man, zumindest wenn die Vulkantätigkeit gering ist, nicht. Die zweite Gruppe startet um fünf Uhr. Die frühmorgendliche Stimmung, der intensive Duft der Ginsterfelder, die man durchqueren muß, man ist ganz verzaubert, wenn die Sonne sich aus dem Dunst des Horizonts schält. Ein zweites Frühstück auf dem Gipfel, Blick auf die Kraterterrasse, läßt alle Strapazen vergessen. Der Vulkan Stromboli besteht aus mehreren Kraterlöchern, Mündern genannt, aus denen, auch am Tage sichtbar, rotes Magmagestein emporgeschleudert wird. Aus anderen entweicht Schwefeldampf oder es werden riesige Aschestaubwolken in die Atmosphäre entlassen. Die akustische Untermalung reicht vom dumpfen, anhaltenden Grollen bis zu Geräuschen, die an einen startenden Düsenjet erinnern. Der Vorgang wiederholt sich in unregelmäßigen Abständen von fünf bis fünfzehn Minuten.

Mittags ist die Crew wieder vereint. Alle sind ein bißchen erschöpft, aber glücklich. Der Stromboli ist ein fazinierendes Erlebnis. Da der Wunsch nach Baden und Ausspannen besteht, wird Basiluzzo, eine Felseninsel zwischen Stromboli und Panarea, angesteuert. Steil ragen die Felswände empor, das Wasser ist kristallklar und für die Jahreszeit erstaunlich warm.

San Pietro auf Panarea erinnert an Santorin. Schneeweiß sind die Häuser gekalkt, die Gassen sind zu schmal für einen normalen PKW. Motorroller und dreirädrige Kleinlaster knattern durch den Ort. Am nächsten Morgen herrscht geschäftiges Treiben am Anleger. Aliscafi, Tragflügelboote, dienen als schnelle Verbindung zu den Nachbarinseln und zum Festland. Dickbauchige Fähren entlassen selbst hochbeladene LKWS, die aber nur 100 Meter rollen können und dann entladen werden müssen. Dazwischen steht der Fischhändler und versucht mit Carusostimme seine Waren zu verkaufen.

Die Cala di Junco, die schönste Badebucht der Liparischen Inselwelt, wird zum nächsten Badestopp aufgesucht. Ohne Vorwarnung, mitten in der schönsten Urlaubsstimmung, gibt es Arger. Die Mechanik, die den Baudenzug für Motor und Getriebe steuert, sitzt fest. Dann erleben wir Murphy`s Gesetz life. Der Motor läßt sich nicht mehr starten, der Anlasser erhält keinen Strom, die Starterbatterie hat sich unbemerkt entleert. Dies dürfte eigentlich alles so gar nicht vorkommen. Was wir an Bordwerkzeugen vorfinden ist sehr bescheiden und zur Reparatur nicht zu verwenden. Ein Fischerboot von San Pietro schleppt uns ab. Unsere "Havarie" hat sich bereits herumgesprochen. Gegerbte Gesichter mit stoppeligen Bärten, aus denen uns Zahnstümpfe angrinsen, palavern auf uns ein. Fast ein Dutzend Fischer macht sich über die Reparatur her. Wir sind skeptisch. Die Mechanik wird mit viel Öl und einigem Wuchten einigermaßen gangbar gemacht, die leere Starterbatterie überbrückt.
Jetzt rächt es sich natürlich, daß wir nur eine Woche zur Verfügung haben. Zudem ist der Wind völlig eingeschlafen. Wir verzichten auf die westlichen Inseln und erreichen unter Motor Vulcano. Im Porto di Levante ist auf den Schwell der einlaufenden Tragflügelboote zu achten. Diese bremsen ihre Fahrt erst im letzten Augenblick ab. Wer mit dem Heck zu dicht an der Kaimauer liegt, erlebt unsanfte Überraschungen. Schwefelschwaden, die vom Cran Cratere herunterziehen, aber auch aus dampfenden Erdspalten stammen, sogenannten Fumarolen, verbreiten einen Geruch nach faulen Eiern. Diese Fumarolen finden sich selbst dicht beim Hafen. Eine deutsche Urlauberin erzählt uns, daß im Garten Ihres Ferienhauses über Nacht die Erde aufgeplatzt sei und nun Schwefeldampf entweiche. Der Boden ist stellenweise so heiß, daß ein auf den Boden abgelegtes Hemd hinterher Brandflecken aufweist. Vulkanologen haben eine Temperaturerhöhung der Fumarolen um ca. 100 Grad Celsius im Laufe der letzten 10 Jahre festgestellt. Wir wundern uns über die nicht wenigen neuen Reihenbungalows. Die Käufer dieser Häuser erscheinen uns als sehr mutige Zeitgenossen. Respektlos spricht die Crew nicht von Vulcano, sondern vom Stinkbollen (Bollen: Schwäbisch für Haufen, Klumpen). Das hindert nicht den fast vierhundert Meter hohen Cran Cratere, der neben dem Stromboli zu d e n geologischen Sehenswürdigkeiten der Liparen zählt, zu erwandern. Auf einem neuen Weg läßt sich der Kraterrand relativ bequem in einer Stunde erreichen. Der aufsteigende Schwefeldampf wirkt überaus ätzend. Ein umgebundenes, nasses Tuch hilft ein wenig gegen den Hustenreiz. Am besten ist es, sich luvwärts zu orientieren.

Die Aqua del Bagno, eine seichte Lagune mit milchig-trübem, badewannenwarmen Schwefelwasser, nur Schritte vom Schiff entfernt, wird von vielen Thermalkurgästen aufgesucht. Besonders bei Erkrankungen des Bewegungsapparates, bei Rheumatiden und bei Hautproblemen sollen die Schlammbäder, wie uns immer wieder versichert wurde, wahre Wunder bewirken. Die Crew erklärt sich für kerngesund.

Zum Abschied schenkt uns Aeolus noch einen herrlichen Segeltag. Jeder von uns hat das sichere Gefühl, daß er einen fernen Tages wieder zu den Liparen zurückkehren wird.

Fazit:

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Eine Woche ist sicherlich zu kurz, um die Liparische Inselwelt richtig kennenzulernen. Andererseits bekommt man bei solch einem Wochentörn eine Menge geboten. Langeweile kann auf den Liparen nicht aufkommen. Jede Insel hat ihren eigenen Charakter und unterscheidet sich von den anderen. Strom, Wasser, Treibstoff sind nur schwer, oder gar nicht zu erhalten. Man stelle sich darauf ein. Die Häfen bestehen nur aus einer Kaimauer oder dem Anlegesteg für Fähren, die Ankermöglichkeiten sind beschränkt. Wer sich mühsam in Lee einer Insel verholt hat, muß mit abrupten Windrichtungswechsel rechnen. Urplötzlich kann aus einer geschützten Position eine heikle Legerwall-Position entstehen. Detaillierte Wetterberichte für die Liparen gibt es nicht, allgemeine Wettermeldungen oftmals nicht aussagekräftig genug. Skipper und Mannschaft werden bei entsprechenden Wind- und Wetterverhältnissen gefordert.

 

Crew

 

Lipari, im Mai alles blühend

 

Vulcano von Lipari gesehen

 

Stromboliccio

 

alle 10 - 20 Minuten (außer man hat eine Kamera in der Hand)

 

Ausblick auf die Kratermünder des Stromboli

 

Sun Odyssey 44

 

 

Postkartenidylle: Sonnenuntergang

 

Vulcanokrater

                     

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